Von Speis und Trank

...von spise und trinkic guot

Maciejowski-Bibel: Folio 37v
Maciejowski-Bibel: Folio 37v

 

Eine allgemeine Abhandlung über das Essen und Trinken zu unserer gewählten Darstellungszeit zu schreiben ist schon aufgrund der spärlichen Quellenlage schwierig. Gilt es doch saisonale, regionale und auch zeitliche Unterschiede in den Vorlieben und Möglichkeiten der Verwendung von Gewürzen und Zutaten zu berücksichtigen.

 

Ein Beispiel aus der heutigen Zeit: Grünkohl mit Pinkel gilt als typisches Norddeutsches Gericht. Sucht man ein Rezept stößt man im Internet auf hunderte Variationen, wobei jede behauptet die einzige Richtige zu sein. In einem einig sind sie sich: Pinkel gibt es nur im Herbst und Winter und sind auch nur in dieser Region zu bekommen.

 

Legt man dies auf das Mittelalter um, sieht man schnell, dass die überlieferten Rezepte nur jeweils für diesen einen Koch, zu dieser Zeit, in seiner regionalen Küche zu gelten haben. Auch mag es schon bei diesem Koch verschiedene Varitionen gegeben haben, wenn z.B. ein Gewürz gerade nicht verfügbar war, oder andere saisonale Kräuter zur Verfügung standen. Salopp ausgedrückt finden sich etwa im "Liber de Coquina" von Robert Maier, Hrsg.,2005 auf S. 51 und auch in folgenden Rezepten die allgemeinen Begriffe Kräuter und Gewürzkräuter in den Rezepten, ohne auf diese näher einzugehen.

Hin und wieder, wie auf S. 47 desselben Buches, wird eine Gewürzbrühe  aus Ysop-Blättern, Petersilie, Salbei und Hühnerleber beschrieben, doch schon einige Zeilen später im gleichen Rezept muss man schon ein nicht näher beschriebenes Gewürzpulver zugeben.

 

Dies macht es uns aus moderner Sicht natürlich nicht einfach die mittelalterliche Küche nachzukochen und nachzuschmecken.

 

Auch die Tatsache, dass selbst bei genauer Angabe von Maßeinheiten und Zeitangaben diese nicht immer eindeutig interpretierbar sind, stellt uns vor ein Problem. In der Reprintedition von "dis Buc sagt von guter Spise" und "dis ist ein gut Lere von guter Spise" aus der Würzburger Pergamenthandschrift wird über die Zubereitung von Met geschrieben:

"und neme zwei maz wassers. und eine honiges" sowie "so nim denne eine halp mezzigen hafen. und tu in halp vol hoppen und ein hant vol salbey" - damit die Zusammensetzung des Mets passt, muss man wissen wieviel für den Autor ein Maß war und wieviel eine Hand.

Auch die Dauer der Zubereitung ist oft nicht ganz ersichtlich:

"und siede daz mit der wirtz gein einer halben mile." - "und siede das mit der Würze gegen eine halbe Meile (Anm: so lange man braucht, um eine halbe Meile zurück zu legen)". Wie lange man jedoch für den Weg einer halben Meile braucht, hängt erstens von der regional und zeitlich unterschiedlich definierten Einheit der Meile und zweitens von der Art und Weise der Fortbewegung (zu Fuß, zu Pferd, auf dem Ochsenkarren?) ab.

(vgl. Google Books, Bibliothek des liatrarischen Vereins in Stuttgard. IX, "ein Buch von guter Speise", Bibliothek des litararischen Vereins Stuttgart, Hrsg.; 1844; S.45f.)

 

Zudem hatten Gewürze und Lebensmittel der Säftlehre nach nicht nur einen nahrhaften Nutzen, sondern auch einen Nebennutzen. Sie konnten heilen, Eigenschaften verstärken und abschwächen. Auf dies werden wir auch im Medizinbereich noch näher eingehen. Infolgedessen wurde folglich auch beim Kochen auf die Säftelehre Rücksicht genommen und man versuchte diätetisch bei Erkrankungen einzugreifen beziehungsweise beim Gesunden ein Gleichgewicht der Säfte zu erhalten. Manche dieser Zuschreibungen haben sich bis heute erhalten: z.B. wird Hühnersuppe nach wie vor bei Erkältung eingesetzt. Dies finden wir auch schon im Liber de Coquina unter Rezepten für Kranke.

 

Aus diesen Problematiken heraus versuchen wir nun allgemeine Tendenzen der mittelalterlichen Küche zu erkennen, um so einen etwas flexibleren Zugang zu erhalten und der "Grundidee" des mittelalterlichen Kochens nahe zu kommen. So ist Kochen ja auch heute keine starre Lehre, sondern der individuelle Vorgang, aus den vorhandenen Zutaten ein wohlschmeckendes Gericht zuzubereiten.

 

Das Ziel der in diesem Abschnitt aufgeführten Arbeiten ist es also, allgemeine Tendenzen in der Küche des hochmittelalterlichen Europas festzustellen und so ein vages "Gefühl" für den "Geschmack" des Mittelalters zu finden und zu vermitteln.


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