Eine Pilgertasche schneidern
Ein unverzichtbares Accessoire für Reenactor beiderlei Geschlechtes stellt die Pilgertasche dar. Auf zahlreichen Abbildungen von Reisenden ersichtlich, war diese wohl weit verbreitet.
Wir haben uns daran gemacht und versucht aus Loden-, Wollstoff- und Leinenresten Pilgertaschen zu nähen.
Größenmäßg kann man anhand der Abbildung sagen, dass die maximale Breite der Tasche ca. eine Hand breit ist. Das Gleiche gilt für die Höhe der Tasche.
Der Klappdeckel ist etwa halb so breit wie der Korpus und misst 2/3 der Höhe.
Material
Oberstoff: Loden, da er die wasserabweisendsten Eigenschaften hat, und man froh ist im Regen seine sieben Sachen im Trockenen zu wissen.
Futter: je nach Darstellung griffen wir zu Leinen- bzw. Wollstoffresten. Für die einfacheren Bürger wird wohl eher ein ungefärbter Leinenstoff als Futter gedient haben. Umso edler die Darstellung, umso mehr kann man auch zu bunten Wollstoffen als Futter greifen
Quasten: Diese haben wir aus Wolle gefertigt.
Träger: Bei einer Tasche griffen wir zu einem brettchengewebten Band. Bei den anderen wurden Loden- bzw. Wollstoffträger gefertigt.
Schnitt
Es wurden jeweils ein gleich großer Vorder- und Rückenteil in Trapezform zugeschnitten. Je nach Stoffrestgröße wurde dem Schnitt der Klappdeckel gleich hinzugefügt oder später angenäht.
Herstellung der Tasche
Der Oberstoff sowie das Futter wird jeweils an den 3 Außenkanten zusammengenäht. Die beiden einzelnen Taschen werden links auf links (= schöne Seite innen) ineinandergelegt.
Nun die werden die Außenkanten beider Klappdeckel zusammengenäht, so dass die Oberkante innerhalb der Tasche zumindest noch 4-5cm offen bleibt. Durch diese Öffnung wird die Tasche umgestülpt. (Tipp: Gut die Ecken nach außen drücken da dies jetzt noch relativ leicht ist.)
Die noch offene Stelle von Hand vernähen.
Für die bessere Optik - zumindest rund um den Klappdeckel und die Oberkante innerhalb der Tasche - die Kanten niedersteppen, so dass eine schöne Außenkante entsteht.
Für den Träger: ein ca. 8 cm breites Stoffband zusammennähen und umstülpen. Anschließend an die Tasche gut annähen. (Tipp: sehr festen Faden nehmen, damit der Träger später nicht leicht abreißt wenn die Tasche schwer beladen ist)
Herstellung der Quasten:
Ganz unauthentisch habe ich die Wolle 10x um ein I-Phone gewickelt. (Nur blöd wenn jemand in der Zwischenzeit anruft) Dann werden die Wollschlaufen vorsichtig heruntergeschoben.
Mit einem Wollfaden in der Hälfte zusammenbinden und die Wollfäden auf eine Seite klappen. Nun mit dem Faden, mit dem man die Quasten zusammengebunden hat, ca 1 cm unterhalb der Kante fest von unten nach oben umwickeln. Zusammenknoten und die überstehenden Fäden mit der Nadel durch die Umwickelung nach unten ziehen. Quastenunten einfach mit einer Schere schön auf eine Kante abschneiden.
Die Quasten lassen sich nun einfach auf die Tasche aufnähen.
Fazit
- Für die gleichzeitige Herstellung von 3 Taschen hab ich ca. einen Arbeitstag gebraucht. Stellt man nur eine Pilgertasche auf einmal her, dauert das Ganze vom Schnittzeichnen angefangen bis zur fertigen Tasche ca. vier bis fünf Stunden. (Auch abhängig davon, ob und wieviel gestückelt wird)
- Möchte man die Tasche noch mit Stickereien etc. verzieren, dauert das ganze entsprechend länger.
- Ich habe mich für die Tasche für 3 Quasten am unteren Taschenrand entschieden. (Vgl. Maciejowski-Bibel: Folio 15v) Anderen Abbildungen nach (Maciejowski-Bibel: Folio 10v) gibt es auch solche die am Klappdeckel auch noch mal drei kleinere Quasten haben. Auf diese habe ich verzichtet.
- Die Herstellung einer Pilgertasche ist auf jeden Fall eine gute Verwertung von kleinen Stoffreststücken, da man diese noch sinnvoll zu einer Tasche zusammenstückeln kann.
- Sollte der Stoff für den Träger nicht mehr reichen, kann man diesen auch mit andersfarbigen Stoff oder mit einer brettchengewebten Borte gestalten.
